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Einmal ging ich morgens aus der Tür und machte mich auf den Weg. Ein Weg, der so lange dauern sollte, bis ich kapiert habe, warum ich ihn gehe. Am Ende waren es 150km voller Schritte und Gedanken, die persönlich wertvoll sind für mich, jedoch trivial für die meisten von euch. Deswegen an dieser Stelle nur das Unwichtigste: Die Literatur sagt, Wandern über mehrere Tage und eine längere Distanz nennt man Pilgern. Menschen versuchen dabei, eine Verbindung zu Gott, zur Natur und zu sich selbst herzustellen. Und tatsächlich, bereits am ersten Tag erschien mir ein göttliches Licht. Es war die Beleuchtung der OMV-Tankstelle 4km vor Scheibbs. Eiskaltes prickelndes Vöslauer brachte mir 2 neue JÖ-Punkte und der Moment, als die durchsichtige Flüssigkeit des Glücks meine staubtrockene Gurgel hinabfloss, ließ meinen Kreislauf die beste Party seit jeher feiern. Bereits bekannt, aber deswegen nicht weniger wahr: Die Absenz von Luxus ist das höchstmögliche Maß an Luxus. Berge, Blumen, Wiesen, Täler, Fluss! Ein Vogel zwitschert, eine Muh kuht. Grün, gelb, himmelblau: Das plakative österreichische Naturbild besteht aus grünen Wiesen in gelbem Sonnenschein vor blauem Himmel. Irgendwo zwischen Almhütte und Alpenquelle lässt sich ein dirndlbekleidetes Mädchen mit Zöpfen erblicken, feel the taste of Spar. Eine Wanderung durch Österreich heißt jedoch in Wahrheit vor allem, die österreichische Bundesstraße in all ihren Windungen und Rundungen, Steigungen und Kreuzungen Meter für Meter zu fühlen, sie mit jedem einzelnen Schritt zu bezwingen und ein Stück weniger zu hassen. Die Abgase der vorbeirasenden Vehikel zuerst zu meiden, sie hinzunehmen und irgendwann zu inhalieren. Am Wegesrand erblühen keine Gänseblümchen, nicht einmal Löwenzahn. Er ist gesäumt von leeren Red-Bull-Dosen, bevorzugt in der himmelblauen Lightversion. Die Menschen achten lieber auf die Figur als auf die Umwelt. Grün, gelb, himmelblau. Die österreichische Bundesstraße in Niederösterreich ist vorwiegend schnurgerade und hat den primären Zweck, Kreisverkehre miteinander zu verbinden. Die Kreisverkehre waren wohl zuerst da, zur Pflege und Instandhaltung siedelten sich Menschen in Dörfern in deren Nähe an. Im Laufe der Zeit wurden diese Inseln der Zivilisation durch die österreichische Bundesstraße miteinander verbunden. Die niederösterreichischen Kreisverkehre waren die zweite Erleuchtung auf meiner Reise: Ihre Abstraktheit und komplexer Symbolismus lässt tief in die Seele der ländlichen Bevölkerung blicken. Kontextualisiert durch mannshohe Kukaruzfelder und viel zu viele Sonnenblumen sind sie bunte Inseln der puren Lebensfreude. Eine Art der Steuergeldverschwendung, die ich gut akzeptieren kann. In der Steiermark beginnen die österreichischen Bundesstraßen beweglich zu werden, sie wollen hoch hinaus und das auf möglichst kurvige Weise. Beständig und geduldig schlängeln sie sich um die steirischen Berge, Gipfel für Gipfel bergauf und wieder ganz tief bis ins Tal hinab. Die Serpentinen sind eine beliebte Königsdiszplin der Geschwindigkeitsjunkies auf Motorrädern. Sie scheinen in diesem Paralelluniversum der Ledergarnituren und Dezibel Spaß zu bereiten, zu Fuß sind sie aber der Endgegner. 34 Grad und es wird noch heißer, 28% Steigung und es wird noch steiler. Die Leberstraße ist die steilste Bergstraße Österreichs und ich habe sie besiegt. In den längsten 4 km der Menschheitsgeschichte im Kreisel den Gipfel zu erklimmen, nur um in weiteren 9 die eben erkämpfte Höhe wieder hinabzuwandern, ist eine der vielen grindigen aber notwendigen Lebenserfahrungen, um zu wissen, was man nicht mehr will. Momente, in denen ich die Natur spüre: Wenn der Wind dermaßen brutal gegen den Körper prallt, dass ein Vorankommen kaum mehr möglich ist, der Regen mich durchnässt, sodass die Vorstellung von Trockenheit zur absurden Fantasie wird. Die glühende Sonne, die gnadenlos stundenlang auf den verbrannten Rücken eintrommelt. Dann ist die Natur so intensiv und greifbar wie nie. Die Erde macht sich bemerkbar, sie sagt unmissverständlich: Du bist hier nur zu Gast, deine Grenzen bestimme ich. Kein Individuum kann jemals über ein anderes bestimmen. Blumfeld wusste es schon 2003: Wir sind frei, es gibt kein Müssen und kein Sollen, wenn wir nicht wollen. Aber die Natur ist der Boss. Sie hat uneingeschränkt Respekt verdient und es macht gar nichts, wenn du ihr diesen nicht zollst, denn sie holt ihn sich im Zweifel ohnehin. Und dann, irgendwie, wenn die Augenbrauen ihre Funktion nicht mehr erfüllen und der Regen die Augen überflutet, fügt sich das persönliche Chaos zu einem unbedeutendem Detail und du denkst nur: Warum habe ich unbedeutender Wurm in meinem Größenwahn den Regenschirm zu Hause gelassen. Zum Schluss noch ein paar Stammbucheinträge, sollte jemand motivitional quotes als Wallpaper benötigen: Selbstfindung ist Selbstbetrug. Du suchst dich selbst? Schau in den Spiegel. Guckguck! Das bist du. Gefunden. Die Krux liegt im Gegenteil, nämlich dass es niemals möglich ist, von dirss selbst Pause zu machen. Der einzige Mensch, der dir niemals Freiraum lassen kann, bist du selbst. Keine zurückgelegte Distanz dieser Welt, kein Meditieren, Studieren, Investieren oder Konsumieren wird daran je etwas ändern. Lauf so schnell du kannst, die Selbstzweifel werden immer ex aequo die Ziellinie erreichen. Erleuchtung auf Bestellung (hier: Gebet) ist eine Erfindung der Mariazellerindustrie. Ich weiß es, ich war dort. Erleuchtung bedeutet Arbeit(hier: viele Gebete) und der Weg zum Glück bedingt zahlreiche Kompromisse. Perfektion ist Illusion. Der wichtigste Gedanke von Tausenden, der irgendwo in der Einöde von Niederösterreich entstand, eventuell auch in einer Innenkurve einer Serpentine in der Steiermark: Du bist ein Nichts für fast alle Menschen, das ist vollkommen ok und normal, aber du bist immer wichtig für jemanden. Somebody cares✌🏼
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